Floristik-Design-Fachbuch

7. Gestaltungsarten

7.1 Gestaltungsstil

Gestaltungsstil steht als Begrifflichkeit für den persönlichen Stil des Gestalters, mit dem er den von ihm gestalteten Dingen seine eigene Note gibt. Nicht zu verwechseln mit der Gestaltungsart, die nach Wirkung und dem Wesen eingeteilt und ein Gestaltungskriterium mit entsprechenden Regeln ist. In der Kunst und der Architektur sprechen wir zum einen von Stilepochen oder Stilrichtungen, zum anderen hatte und hat jeder Künstler, Architekt und jeder Gestalter wiederum seine besonderen Merkmale und Eigenheiten. Diese stellen dann den persönlichen Gestaltungsstil dar, der dann das Individuelle und Einzigartige im positiven Sinne verkörpern sollte. Der Florist sollte innerhalb der Gestaltungslehre und dem bewussten Einsatz seines Fachwissens sich immer auch die Frage nach seinem persönlichen Gestaltungsstil stellen. Dieser unterliegt einem ständigen Entwicklungsprozess. Selbst wenn man glaubt, seinen Stil gefunden zu haben, wird sich dieser ausbauen, verändern und weiterentwickeln. Der Florist solle immer wieder die wichtige Frage nach dem „Wie“ neu für sich beantworten.

– „Wie“ stelle ich meine Persönlichkeit dar ?

– „Wie“ entwickele ich meinen individuellen Stil weiter ?

– „Wie“ verkaufe ich mich und meinen Stil ?

– „Wie“ verwirkliche ich die Ansprüche der Kunden innerhalb meines Gestaltungsstiles?

Foto von hohen Gräsern
Gestaltungsstil
  • persönliche Note des Gestalters
  • nicht die Art des Gestaltens
  • nicht mit Gestaltungsart zu verwechseln!!

Entwicklungen
– Geschichte der Gestaltungsarten

Die Gestaltungsarten als Begrifflichkeit in der Floristik sind im Laufe des letzten Jahrhunderts entstanden. Die wohl älteste Gestaltungsart ist „dekorativ“. Sie hat sich mit der Zeit verändert, ist vielfältiger, variantenreicher und „asymmetrischer“ geworden. Ihre eigentlichen Wesensmerkmale, das Üppige u. Füllige hat und hatte immer Bestand.

Mitte des 19. Jahrhunderts brachte die floristische Entwicklung relativ zeitgleich die vegetative (heute vegetativ-klassische) und die formal-lineare Gestaltungsart zur Anerkennung. Beide gingen, teils nach Vorbildern der asiatischen Blumenkunst, von einem Punkt aus. Das Vegetative war von dem Gedanken getragen, verschiedene Blumensorten, aus einem Vegetationspunkt und damit leicht abstrakt und dennoch wuchshaft darzustellen. Diese Form des vegetativen Gestaltens ist ein Stück Kulturgut und wird daher heute als „vegetativ-klassisch“ bezeichnet. Das formal-lineare zeigte eine ganz andere Gestaltungsmöglichkeit. Eine nicht wuchshafte, nicht vegetative, hauptsächlich auf die Form bezogene kontrastreiche Darstellung. Von Anfang an wurden sehr kontrastreiche Formen, jeweils in geringer Menge in entsprechend verschiedengroßen Freiräumen dargestellt. Der Geltungsanspruch und der Wachstums-u. Bewegungsryhtmus brauchten nicht beachtet werden, die Form insbesondere die Linie standen in dieser typ. asymmetrischen Arbeit im Vordergrund. Dekorativ, vegetativ und formal-linear waren dann bis in die 70er Jahre die drei maßgebenden Gestaltungsarten.

Die Floristik entwickelte sich weiter und es gab die verschiedensten Bestrebungen und Fachansichten über weitere Gestaltungsarten oder deren Reformierung. Über unsinnige Begriffe wie „Gärtchentechnik“ oder dem Bestreben nur noch nach dekorativ oder vegetativ einzuteilen gab es viele Versuche. Unter anderem auch nur noch über „vegetativ“ oder „nichtvegetativ“ zu befinden. Einen relativ langen Zeitraum, nicht von allen akzeptiert, hatte „parallel“ als Gestaltungsart eine Bedeutung. In parallel-dekorativ, parallel-vegetativ u. parallel-graphisch untergliedert gab es sechs Gestaltungsarten. Ende der 90er Jahre, Anfang des 20. Jahrhunderts schieden sich unter den fachkompetenten Floristen immer mehr die Geister. Die Einen blieben, oder kehrten zum „Dreigestaltungsartenmodell“ zurück, Andere unterschieden nur noch zwischen „vegetativ“ und „dekorativ“ oder zwischen „vegetativ“ und „nichtvegetativ“. Für Andere wiederum wurde „graphisch“ zur 4. eigenständigen Gestaltungsart. Das Problem bestand im einen darin, dass parallel von der Begrifflichkeit, genau wie radial u. überschneidend Anordnungsarten sind und damit eine Doppelverwendung des Begriffes gegeben war. Aber vor allem aus der Entwicklung heraus, dass immer mehr graphische u. vegetative Werkstücke auch in der Anordnungsart überschneidend gestaltet wurden und werden, und somit eine Einordnung dieser Werkstücke unter „parallel“ nicht mehr möglich war. Parallel als Gestaltungsart ist also Geschichte und kehrt auf alle Fälle zu seiner ursprünglichen Begrifflichkeit den Anordnungsarten zurück.

Zum Einen eine Unterscheidung zwischen „vegetativ“ und „nicht-vegetativ“ und zum Anderen eine Einteilung in sechs eigenständige Gestaltungsarten, wie auf den nächsten Seiten beschrieben u. erklärt, sehen wir zum momentanen Entwicklungsstand sowohl für den Lehrenden als für den Lernenden am geeignetsten. Es wird Kulturgut (z.B. „vegetativ-klassisch“) in seiner Ursprungsform erhalten aber zugleich für Weiterentwicklungen Freiraum geschaffen, denn eine Weiterentwicklung muß jederzeit möglich sein.

Entwicklungen
  • zur Zeit sechs eigenständige Gestaltungsarten

7.2 Gestaltungsarten

Die Gestaltungsart definiert den Gesamteindruck. Unterschiedliche Gestaltungsarten setzen sich immer aus einem Adjektiv und einem Nomen zusammen. Das Nomen bleibt gleich, „Gestaltung“, das Adjektiv „Art“ z.B. graphisch beschreibt die Wirkung, den Ausdruck, das Wesen und die Eigenart welche von der Gestaltung ausgeht.

Floristische Gestaltungsarten haben sich im Laufe des Bestehens unseres Berufes entwickelt. Sie können sich festigen, „unentbehrlich“ werden, sich verändern oder im Extremfall sich erübrigen. Ebenfalls können sich neue Gestaltungsarten entwickeln, die durch Aktualität eine Berechtigung fordern. In jedem Fall wird ein „entbehrlich werden“ oder „neu entwickeln“ von einzelnen Gestaltungsarten eine Bereicherung darstellen. So war über einen gewissen Zeitraum „parallel“ als Gestaltungsart ein wichtiger Bestandteil der Lehre und für die Entwicklung der Floristik sinnvoll. Im Laufe der Zeit hat sie sich als wichtiges Kriterium für die sichtbare Linienführung der Gestaltungselemente entwickelt. Sie ist neben „überschneidend“ und „radial“ als Anordnungsart ein wesentliches Merkmal der entsprechenden Gestaltungsart. Als eigenständige Gestaltungsart hat sie keine Berechtigung mehr, da „parallel“ in fast allen Gestaltungsarten als Anordnungsart eine gestalterische Möglichkeit ist. Es war und wird ein ewiger Anspruch sein, „Anderes“, „Verändertes“ und „Neues“ in die Entwicklung einfließen zu lassen, wenn es denn als positiv erkannt wurde und eine gewisse Grundsätzlichkeit und Nachhaltigkeit anzunehmen ist.

Gestaltungsarten müssen klar in ihrer Art und ihrem Wesen voneinander unterschieden werden können. Trotzdem kann es auch zu fließenden Übergänge, so genannten Graduierungen zwischen der Einen und der Anderen geben. In Ausnahmefällen ist es sogar möglich, dass in einem Werkstück zwei Gestaltungsarten zugleich darstellt werden. Mehr dazu unter dem Thema „Gestaltungsarten zwei und mehr “. Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen „vegetativen“ und „nichtvegetativen“ Gestaltungsarten. In der aktuellen Floristik haben wir dann drei sehr unterschiedliche wuchshafte Gestaltungsarten und drei total verschiedene „nicht“ wuchshafte Darstellungsarten. Die sechs Gestaltungsarten, in ihrer Unterschiedlichkeit klar zu definieren, bilden den momentanen Ausgangspunkt der Gestaltungslehre für Floristen.

Gestaltungsart
  • Art, Ausdruck, Wesen, Eigenart, Wirkung, Merkmale der Gestaltung
  • wir unterscheiden grundsätzlich zwischen „Vegetativ“ und „Nichtvegetativ“!!!

7.3 Vegetativ

Der Begriff „vegetativ“ steht für Vegetation, also für die wuchshafte Darstellung der Pflanzen und Pflanzenteile. Das heißt, der Wuchs, ihre natürlichen Bewegungen, ihre Stellung zum Raum sind für den Gestalter Vorbild für sein Tun. Er beachtet grundsätzlich den Geltungsanspruch und gibt dem Einzelteil seinen entsprechenden Stellenwert und Freiraum. Er verarbeitet die Teile, oder Pflanzen so wie sie gewachsen sein könnten. Das heißt er interpretiert die Natur gestalterisch und stellt damit Wuchshaftes dar, ohne zu imitieren oder zu kopieren.

Bei der vegetativen Gestaltung bzw. deren drei Gestaltungsarten wird auch immer die empfundene Soziologie bei der Auswahl und Zusammenstellung des geschnittenen Werkstoffs voll beachtet.
Bei dauerhaften Gefäßbepflanzungen auch die tatsächliche Soziologie um den Wachstums- und Pflegeansprüchen gerecht zu werden. Die vegetativen Gestaltungsarten sind von ihrem Wesen her im Detail nur in der Asymmetrie möglich. Nur im Umriss ist bei „vegetativ abstrakt“ auch die Symmetrie eine Möglichkeit. Die zu wählende Anordnungsart wird durch den natürlichen Wuchs der Werkstoffe bestimmt und es sind daher auch Kombinationen verschiedener Arten möglich. Entsprechend verhält es sich auch im Prinzip mit dem Ausgangspunkt der Pflanzen und Pflanzenteile, wobei hier die „vegetativ-klassische“ eine Ausnahme bildet. Grundlegend stellen die drei vegetativen Gestaltungsarten das Natürliche, das Wuchshafte und damit die Pflanze im Detail oder im Ganzen in den Vordergrund. Jede jedoch auf eine andere Art und Weise. Es gibt bei den drei vegetativen Gestaltungsarten wesentliche und markante Unterschiede. Diese werden dann im Einzelnen auf den nächsten Seiten erklärt und durch die Auseinandersetzung mit der jeweiligen Gestaltungsart bewusst.

Zeichnung von Pflanzen
„vegetativ“
  • wuchshafte Gestaltung
  • wir kennen drei vegetative Gestaltungsarten: vegetativ-wahrhaft,  vegetativ-klassisch, vegetativ-graphisch
  • totale Beachtung von Wachstums- u. Bewegungsrhythmus sowie Geltungsanspruch !!!

7.4 Vegetativ – wahrhaft

Vegetativ-wahrhaft ist die natürlichste Gestaltungsart der Floristik.Von der Gesamtdarstellung bis ins Detail werden alle Werkstoffe nur so verarbeitet wie sie gewachsen sein könnten. Dass heißt, auch die Basisgestaltung ist natürlich, wuchshaft und passend zu den sonst verwendeten Pflanzenarten gestaltet. Die Geltungsansprüche der Einzelteile müssen im Bezug auf Auswahl, Menge, Verteilung und Freiraum voll beachtet werden. Des Weiteren ist dem Wachstums- und Bewegungsrhythmus wie bei allen vegetativen Gestaltungsarten gerecht zu werden. Bei Pflanzungen ist zudem die Soziologie, bei geschnittenem Werkstoff die „empfundene“ Soziologie ein Auswahlkriterium.

Im Gegensatz zu „vegetativ abstrakt“ werden typischer Weise keine nicht floralen Gestaltungselemente verwendet. Nur das Gefäß, wenn als solches sichtbar, tritt zurück und wirkt schlicht, klar, neutral oder natürlich. Als Gruppierungsarten kommen bei dieser Gestaltungsart am besten die Streuung mit Schwerpunkt, die freie Formation oder asym. 2er und 3er Gruppierungen zur Anwendung. Je nach Gruppierungsart und Werkstoffwahl ist ein Akzent möglich. Die Werkstoffe werden meist mit einer dominanten Richtungsdynamik, nämlich im Bereich der „vertikalen“ positioniert. Die Anordnungsart ist meist „überschneidend“ aber auch „parallel“ ist nicht selten möglich, je nachdem wie der jeweilige Werkstoff von seinem Wuchs mehr Natürlichkeit ausdrückt. Die Einzelteile haben ihren Ausgangspunkt so wie sie in der Natur gewachsen sein könnten. Dass heißt, gleiche Werkstoffe die in der Natur aus einem Punkt wachsen, können auch hier optisch so wirken. Auch zum Beispiel Grasbüschel oder kleine Kräuter im Basisbereich behalten für sich gesehen ihren gemeinsamen Ausgangspunkt. In der großen Gesamtheit wird jedoch der „individuelle“ Ausgangspunkt die Regel sein. Nur die Asymmetrie sowohl im Detail als auch im Umriss steht zur Wahl und selbstverständlich darf hier die Technik nicht gestalterisch sichtbar eingesetzt werden. Das wesentliche der „vegetativ wahrhaften“ Gestaltungsart ist die totale Natürlichkeit jeden Details und des Gesamtwerkstücks. Alles ist so gestaltet, als wenn es so zusammen gewachsen sein könnte.

vegetativ-wahrhaft
  • bis hin zur Basisgestaltung alles wuchshaft
  • so wie gewachsen
  • natürlichste Gestaltungsart !!!

7.5 Vegetativ – abstrakt

Bei der vegetativ-abstrakten Gestaltungsart werden grundsätzlich alle Kriterien der vegetativen Gestaltung beachtet. Ja, das Vegetative wird hier sogar für den Betrachter noch deutlicher und im Ausdruck verstärkt. Das Wort „abstrakt“ bezeichnet meist den Vorgang des Weglassens von Teilbereichen. In der Gestaltung bezeichnet Abstraktion eine Vorgehensweise, die zuvor von einem konkreten Vorbild ausgehen kann, aber davon nur bestimmte Aspekte im Werk wiedergibt und diese dadurch besonders hervorhebt.

Der Gegensatz vom Abstrakten ist das Konkrete. Bei der abstrakten Gestaltung werden Dinge aus dem tatsächlichen Zusammenhang herausgehoben oder in ein irreales Umfeld gebracht. Bei der vegetativ- abstrakten Gestaltungsart werden alle Werkstoffe zwar wie sie gewachsen sein könnten angeordnet, aber nicht im natürlichen Umfeld dargestellt. Wie gewachsen heißt, dass sie mit vollem Geltungsanspruch und in ihrem natürlichen Wachstums- und Bewegungsrhythmus in Position gebracht werden. Die Basisgestaltung oder das restliche Umfeld sind jedoch z.B. steril, neutral, auf keinen Fall natürlich gestaltet. Durch diese abstrakte Darstellung wird das Vegetative im Detail für den Betrachter noch anschaulicher und das Wesentliche wird hervorgehoben.

Er, der Betrachter, sieht Dinge und Details, die ihm im natürlichen Umfeld so gar nicht aufgefallen oder bewusst geworden wären. Jeder einzelne Werkstoff hat seinen eigenen Wachstumspunkt, so wie er in der Natur gewachsen sein könnte. Nur die Ausgangspunkte kommen z.B. aus einer neutralen, schlichten Basisfläche oder Körper, die einen Kontrast zur Natur darstellt oder aber sind frei im Raum gewählt. Während bei der vegetativ – klassischen oder der vegetativ – wahrhaften Gestaltungsart natürliche Basisgestaltungen typisch sind, wird bei vegetativ – abstraktem darauf verzichtet. Es ist dann der Teilbereich der entfernt (abstractus = entfernen) wird um anderen Teilbereichen mehr Geltung und Aufmerksamkeit zu schenken. Diese Gestaltungsart eignet sich sehr gut für Gefäßfüllungen, sowie Tischschmuck und vor allem für modernen Raumschmuck. Gerade hier ist es besonders wichtig dass sowohl Gefäß als auch die Räumlichkeiten vom Stil geeignet sind. Im Gegensatz zu den anderen vegetativen Gestaltungsarten kann hier das Gefäß stark mitwirken, ja sogar dominieren.

Vegetativ – abstrakt
  • wie gewachsen gestaltet, aber reduziert auf die Einzelteile in sterilen Umfeld
  • Wuchshaftes bewusst gemacht !!!

7.6 Nicht vegetativ

Die drei „nichtvegetativen“ Gestaltungsarten unterscheiden sich in wesentlichen Kriterien. Sie haben jedoch die Gemeinsamkeit, dass das wuchshafte nicht im Vordergrund steht.
Die Blume wird teilweise benutzt und stellt sich dann nur noch als Form und Farbe dar, ohne dass auf die natürliche Stellung Wert gelegt wird. Auch der Geltungsanspruch der Einzelform tritt zurück, zugunsten der Gesamtwirkung bzw. für gestalterische Aufgaben. So können Formen großer Geltung, wie z.B. Alium giganteum, im Basisbereich als Kugelform Verwendung finden.

Als weitere Beispiele können ganz viele verschiedene Herrschafts- und Edelformen verdichtet eine dekadente Summierung bilden, oder aber auch Teile einer Blume eine neue Formgestalt bilden. Im Gegensatz zur vegetativen Gestaltungsart brauchen bei der Auswahl weder die Soziologie noch die empfundene Soziologie Berücksichtigung finden. Nichtflorale Gestaltungselemente können bei allen drei nichtvegetativen Gestaltungsarten eingesetzt werden, sowohl als sichtbare Technik als auch rein gestalterisch.

Die Natur ist hier nicht Vorbild, sondern Naturformen werden meist mit konstruierten Formen kombiniert in einem Werkstück zusammen gefügt. Die Blume wird zum Dekoelement, zur formal- linearen Erscheinung, zur graphischen Summierung, oder zum Akzent in einer nichtfloralen Summierung. Es entsteht ein mehr oder weniger unnatürliches Bild in Form eines floristischen Werkstücks. Bei allen nichtvegetativen Handlungen sollte der Florist sein Tun immer wieder neu hinterfragen. Er sollte bewusst abwägen, mit welchen Werkstoffen, was noch gestalterisch verantwortbar und dann sinnvoll und zweckgerecht ist.

Zeichnung von Pflanzen
„Nicht vegetativ“
  • Geltungsanspruch der Einzelform tritt zurück
  • wir kennen drei „nichtvegetative“ Gestaltungsarten
  • dekorativ – formal-linear – graphisch
  • unnatürliche Stellung der Werkstoffe möglich !!!

7.7 Dekorativ

Die älteste Gestaltungsart der Floristik, entstand in unserem Kulturkreis als Blumenbindekunst im 18.Jahrhundert. „Dekorativ“ als Gestaltungsart steht für das Üppige, das Füllige, ja für die Summierung und Verdichtung von Gestaltungselementen. Die einzelnen Werkstoffe treten von ihrem Geltungsanspruch zugunsten der Gesamtwirkung zurück. Was nicht bedeutet, dass sie in unserer heutigen Zeit, ihre Geltung total aufgeben. Der geübte Gestalter wird immer versuchen auch in der dekorativen Gestaltungsart der Blume noch eine gewisse Geltung zu belassen, bzw. ihre Geltung so wenig wie möglich zu mindern.

Die Symmetrie ist eigentlich die Ordnungsart der Vergangenheit, doch wird sie auch heute bei gewissen Gestaltungsaufgaben noch ihre Berechtigung haben. In der Mehrzahl werden die Werkstücke heute jedoch von der Asymmetrie geprägt sein, auf alle Fälle im Detail, aber auch meist im Umriss. In der Ordnungsart der Asymmetrie ist mit dieser Gestaltungsart das Werkstück zeitgemäßer und interessanter darzustellen. Auch der Akzent als Steigerungsmöglichkeit ist wie wir wissen nur in der Asymmetrie möglich. Entscheidend bei der Auswahl sind die Formen, Farben, Texturen und die entsprechende Menge. Für die dekorative Gestaltungsart eignen sich Prunk- und Edelformen sowie Formen mittlerer Geltung, aber auch andere Formen finden in entsprechender Summierung ihre Wirkung. Die Formen mit rundem Endpunkt sind hierbei besonders geeignet prunkvoll zu wirken und üppige Fülle darzustellen. Ebenso ist es hierbei typisch verschiedene Werkstoffe in verschiedenen Mengen zu kombinieren.

Des Weiteren ist hier das Milieu der Werkstoffe wichtig, während die Beachtung der Soziologie und des Wachstums- u. Bewegungsrhythmus vernachlässigt werden kann. Die drei Anordnungsarten radial, parallel und überschneidend, sowie alle Gruppierungsarten sind möglich. Im dekorativen kann das Gefäß nur funktional sein und für den Betrachter nicht sichtbar, es kann aber auch mitwirken, oder gar dominant in den Vordergrund treten. Nichtflorale Gestaltungselemente wie Stäbe, Bänder, Kugeln, Würfel und andere Accessoires sind bis ca. 40% der Gesamtwirkung möglich. Auch die Technik kann sichtbar sein und sich als Gestaltungselement darstellen. Abschließend können wir feststellen, dass die dekorative Gestaltungsart lebt. Sie hat sich weiterentwickelt und lässt auch in der Zukunft für Entwicklungen und Entfaltungsmöglichkeiten der Floristik Spielraum.

dekorativ
  • meist viele verschiedene Werkstoffe, prunkvoll in üppiger Fülle summiert dargestellt
  • Asymmetrie heute typisch, Symmetrie als klassische Ordnungsart möglich
  • Geltungsanspruch der Einzelform tritt zurück!!!

7.8 formal – linear

Von größter Bedeutung in dieser Gestaltungsart sind die Einzelformen, insbesondere die Linie. Sie werden kontrastreich ausgewählt, in ihrer Anzahl reduziert, durch verschieden große Freiräume spannungsreich platziert. Die Ordnungsart ist dementsprechend die Asymmetrie, da die verschieden großen Freiräume ein wesentliches Merkmal dieser Gestaltungsart sind. Die kontrastreichen Formen werden jeweils nur in geringer Stückzahl verwendet. Meist sind es ca. 7 bis 13 verschiedene Formen, die dann jeweils in begrenzter Anzahl in Erscheinung treten. Also eine Vielzahl von großen Formkontrasten, reduziert in jeweils geringer Menge dargestellt. Da es oft nur zwei oder drei Teile einer Sorte sind, werden in den meisten Fällen asymmetrische 2er u. 3er Gruppierungen gewählt. Das Gefäß, falls vorhanden, wirkt gestalterisch stark mit und ist dann eine dieser Formen. Werden von einer Sorte zu viel gleichwertige verwendet, so verlieren sie an Ausdruckskraft und das Werkstück entspricht nicht mehr dem Wesen von „formal-linear“.

Die Begrifflichkeit „formal“ bedeutet dass etwas nur auf die bloße Form bezogen ist und in der Floristik hier die Blume nur noch Form ist. Der Werkstoff kann seinen Geltungsanspruch komplett verlieren, wenn z.B. eine Alium als Kugelform in der Basis eingesetzt wird. “Linear“ steht für die Bedeutung der Linie als Form und deren Aufgabe durch entsprechende Überschneidungen Räumlichkeit zu erzeugen. Die Einzelformen bewegen sich mehr oder weniger überschneidend in alle Richtungen des Raumes, klassisch von einem gemeinsamen Ausgangspunkt oder jedes Teil hat seinen individuellen. Daher ist Formal-linear die Gestaltungsart, die keine dominante Richtungsdynamik zulässt, was einen totalen Gegensatz zur graphischen Gestaltungsart darstellt. Auch der Akzent ist im formal-linearen nicht typisch, da bei vielen Teilen in jeweils geringer Menge, er kaum Wirkung erzielen könnte. Ein ebenfalls wesentlicher Unterschied zum graphischen, wo der Akzent fast unverzichtbar ist. Graphisch und formal-linear sind in fast allen Gestaltungskriterien total gegensätzlich und sollten daher auf keinen Fall in einen Topf geworfen oder begrifflich verknüpft werden.

Der natürliche Wachstums- u. Bewegungsrhythmus sowie die Soziologie der Pflanzen kann außer Acht gelassen werden. Technische Hilfsmittel können so eingesetzt werden, dass sie auch eine gestalterische Funktion übernehmen.
Nichtflorale Gestaltungselemente können in gewissem Umfang Werkstoffe ersetzen und gleiche Aufgaben erfüllen.

formal-linear
  • viele große Formkontraste, die Linie u. verschieden große Freiräume von großer Bedeutung
  • etwa 7 bis 13 verschiedene Formen in jeweils geringer Menge, pro Form meist nur ein bis drei mal
  • das totale Gegenteil zur graphischen Gestaltungsart !

7.9 Graphisch

Graphisch ist die jüngste der Gestaltungsarten, die der Moderne. Sie ist aus der „Parallelgestaltung“ entstanden und hat sich im Laufe der Jahre zu einer eigenständigen Gestaltungsart entwickelt. Die „parallele“ Anordnungsart ist weiterhin die eine Möglichkeit, „überschneidend“ ist eine Weitere. Die Gestaltungselemente werden von ihrer sichtbaren Linienführung entweder überschneidend oder parallel angeordnet und erhalten hierbei eine dominante Richtungsdynamik. Diese stellt ein wichtiges Kriterium für das Wesen dieser Gestaltungsart dar und ist für deren klare Wirkung ein wesentlicher Faktor. Entscheidend ist die Auswahl einer klaren, strengen Form, die auch lineare Wirkungsanteile hat. Beispielhaft seien Alium, Kniphofia, Calla, Equisetum und Strelizie als florale Gestaltungselemente genannt. Aber auch farbige Rund- oder Kanthölzer, gebleichte Äste, Metall- oder Kunststoffstäbe um nur einige zu nennen sind möglich.

Wichtig ist die Entscheidung für nur eine Sorte in großer Menge, der dann eine bedeutend kleinere Menge gegenüber steht. Die kleinere Menge, meist aus zwei verschiedenen Arten, wiederum in unterschiedlicher Menge, muss einen großen Kontrast zur dominant graphisch wirkenden Hauptmenge bilden. Die geringeren Anteile steigern die Mehrzahl der konstruiert und streng wirkenden Formen und erhöhen somit deren Wirkungsgrad. Es ist das klassische Wechselspiel von Summierung und Reduzierung. Eine der reduzierten Formen bildet meist den Akzent, auf den nur ganz selten zu verzichten ist. Die Ordnungsart ist die Asymmetrie, wobei auch die Symmetrie als Block im Umriss eine Möglichkeit darstellt. Als Gruppierungsarten sind sowohl strenge und freie Formationen, als auch Streuungen mit und ohne Schwerpunkt typisch. Der natürliche Wachstums- und Bewegungsrhythmus, empfundene Soziologie und Geltungsanspruch werden nur bedingt berücksichtigt.

Das Milieu der „floralen“ und „nichtfloralen“ Gestaltungselemente ist ein wichtiges Kriterium, zumal zum Wesen dieser Gestaltungsart eher Dinge aus dem edlen, eleganten Bereich passen. Es ist die einzige Gestaltungsart bei der die Möglichkeit besteht die „nichtfloralen“ Gestaltungselemente in der Dominanz wirken zu lassen. Jedes Gestaltungselement hat seinen individuellen Ausgangspunkt, eventuell in einem Gefäß, das dann stark mitwirken kann. Hier kann dann auch der Moderne entsprechend die Technik gestalterisch sichtbar eingesetzt werden.

graphisch
  •  eine klare Form mit linearem Teil als Hauptmenge, kombiniert mit einer oder mehreren bedeutend kleineren Menge bzw. Mengen in größtmöglichem Kontrast
  • überschneidend oder parallel in der sichtbaren Linienführung, immer mit dominanter Richtungsdynamik
  • totales Gegenteil zur formal-linearen Gestaltungsart !!!

7.10 Gestaltungsarten im Überblick

7.11 Gestaltungsarten, zwei und mehr

Ein Werkstück, mehrere Gestaltungsarten, dass ist möglich! Es gibt Gestaltungsarten, die lassen sich mit anderen kombinieren und zugleich verwirklichen, andere sind so gegensätzlich und artfremd, dass eine Kombination unmöglich ist. Bei formal-linear und graphisch trifft letzteres zu. Sie können auf keinen Fall in einer Arbeit zugleich verwirklicht werden. Dazu sind die beiden Gestaltungsarten von ihrem Wesen und ihren Gestaltungskriterien zu Gegensätzlich. Während bei formal-linear viele verschiedene kontrastreiche Formen im Werkstück in geringer Stückzahl dominieren, wird beim graphischen eine Form als Hauptmenge gewählt. Formal-linear stellt im Gesamtbild eine Reduzierung, graphisch eine Summierung dar.

Vegetativ-wahrhaft und graphisch dagegen bietet diese Möglichkeit bei entsprechender Werkstoffauswahl. Verwenden wir z.B. Schachtelhalm in großen Mengen stark verdichtet und ordnen ihn so an wie er gewachsen sein könnte, erhalten wir eine vegetativ-wahrhafte Arbeit. Dieses stellt zugleich, durch die strenge lineare Summierung eine graphische Arbeit dar. Auch entspricht sie zudem dem Wesen der dekorativen Gestaltungsart, üppig und füllig, allerdings ohne deren typische Vielfalt darzustellen. So können auch vegetativ-wahrhafte Werkstücke aus Gräsern und Wiesenblumen in ihrer Vielfalt und Üppigkeit zugleich dekorativ sein. Bei entsprechender Werkstoffwahl und Summierung ist es durchaus möglich in einem Werkstück die Kriterien der vegetativ-abstrakten und der graphischen Gestaltungsart zu erfüllen.

Auch gleichwertige Kombinationen zwischen vegetativ-abstrakt und dekorativ sind entsprechend zu realisieren. Nicht gleichwertig kombiniert, aber mit dekorativer Tendenz können jeweils die Gestaltungsarten vegetativ-klassisch und formal-linear gearbeitet werden. Die Werkstoffe werden stärker verdichtet als eigentlich erlaubt, ansonsten sind alle Kriterien der jeweiligen Gestaltungsart voll berücksichtigt. Das Werkstück bekommt zusätzlich dekorativen Charakter.

Zeichnung von Blumen in Vase
Gestaltungsarten zwei und mehr
  • vegetativ-wahrhaft und graphisch und oder dekorativ
  • vegetativ-abstrakt und graphisch und oder dekorativ
  • vegetativ-abstrakt und formal-linear, sowie graphisch und dekorativ
  • können bei entsprechender Werkstoffwahl u. Beachtung der Gestaltungskriterien gleichwertig kombiniert werden
formal-linear und graphisch
  • lassen sich wegen ihrer extrem gegensätzlichen Kriterien nicht kombinieren!
  • auch zwischen den drei vegetativen Gestaltungsarten erscheint dies gestalterisch wenig sinnvoll.

7.12 Graduierung

Die Möglichkeit der Graduierung erweitern den Handlungsspielraum des Gestaltenden, ohne die Grundprinzipien der Gestaltungslehre in Frage stellen zu müssen. Die Graduierung ist in der Floristik in vielen Bereichen möglich, sollte jedoch nur von den Gestaltern angewandt werden, die die Grundprinzipien der Gestaltungslehre beherrschen. Es ist die Darstellung schrittweiser Veränderungen von z.B. Proportionen, Umrissformen und Mengenverhältnissen, wie Farbmengen und vielem mehr in stetiger Abfolge. Auch die Ordnungsarten, die Anordnungsarten oder Gruppierungsarten können stufenweise verändert werden. Bei letztgenanntem kann z.B. eine strenge Formation in eine freie übergehen und in einer Streuung mit Schwerpunkt enden. Die Stetige Reihe ist hier die typische Gruppierungsart der Gefäße, wobei auch die strenge Formation möglich ist. In beiden Fällen entsteht ab einer gewissen Anzahl gleicher Gefäße eine Seriographie. (Siehe nächste Seite)

Graduierungsdarstellungen sind jedoch nur dann gut gestaltet und ein gutes Lehrbeispiel, wenn die mittlere, also die fifty-fifty Variante nicht angestrebt wird. Eine Proportion 50% Gefäß und 50% Füllung ist ebenso schlecht wie ausgeglichene Farbmengen. Dies gilt noch mehr bei Graduierungen von verschiedenen Gestaltungsarten, welche im nächsten Absatz beschrieben werden.

Foto von Blumen
Graduierungen
  • schrittweise Veränderungen

Gestaltungsarten und deren Graduierung

Eine besonders interessante und Gestaltungsspielräume erweiternde Möglichkeit ist die Graduierung der Gestaltungsarten. Neben der Darstellung als Seriographie ist es auch hier möglich, nur zwei Arbeiten gegenüber zu stellen. So kann ein Werkstück zu 70% formal-linear, zu 30% dekorativ sein, das Andere eine umgekehrte Wertigkeit zeigen. Auch zwischen vegetativ-klassisch und dekorativ, sowie zwischen graphisch und dekorativ gibt es Graduierungsstufen, die zur Gegenüberstellung geeignet sind, oder auch als Einzelwerkstück gezielt gestaltet werden können. So können wir, mit entsprechendem Fachwissen ausgestattet, Werkstücke arbeiten, die z.B. 70% graphisch u. 30% dekorative Wirkung ausstrahlen. Auch 90% zu 10% oder 80% zu 20% sind bei den letzt genannten bzw. bei dekorativ und formal-linear möglich.

Eine 60:40 Lösung oder gar ein Verhältnis von 50:50 sollte auf alle Fälle vermieden werden! Auch erscheinen uns Graduierungsstufen zwischen den drei vegetativen Gestaltungsarten wenig sinnvoll. Unmöglich ist die Graduierung der formal-linearen und der graphischen Gestaltungsart, da diese völlig wesensfremd und total gegensätzlich sind.

Foto von Blumen
Gestaltungsarten „graduiert“
  • zwischen graphisch und formal-linear nicht möglich!