Floristik-Design-Fachbuch

2. Gestaltungslehre

2.1 Gestaltungslehre

Floristisches Gestalten gründet wie alle anderen gestalterischen und schöpferischen Berufe auf einer Gestaltungslehre. Diese Lehre formuliert Gesetzmäßigkeiten, Prinzipien, Kriterien bzw. stellt Regeln auf und klärt die Begrifflichkeiten. Sie behandelt die drei Ausdrucksmittel Textur, Form und Farbe, erklärt die Gestaltungsgrundlagen und die Gestaltungsarten. Die Gestaltungslehre geht auf die Gestaltungselemente Werkstoff u. Material aus Sicht des Floristen ein und erläutert stilkundliche Dinge der Vergangenheit, der Gegenwart und eventuell der Zukunft.

Des Weiteren beschäftigt sie sich mit zeichnerischen Darstellungsmöglichkeiten sowie den floristischen Werkstücken in ihrer großen Vielfalt. Es gibt allgemeine, für alle gestalterischen Berufe gültige Regeln und Grundlagen, aber auch die Speziellen, welche auf die Besonderheiten der Floristik zugeschnitten sind. Sie zu unterscheiden bzw. sie voneinander abzugrenzen ist in letzter Konsequenz nicht möglich, da die Grenzen fließend sind. Teile der speziellen Gestaltungslehre für Floristen unterliegen zudem einem Wandel der Zeit. So können sich in gestalterischen Berufen Begrifflichkeiten inhaltlich, von ihrer Zuordnung, oder aber auch vom Begriff selbst ändern, oder Neue können hinzukommen. Daher sollte der Lernende alle Lehrbücher, wie auch dieses, immer kritisch hinterfragen. Ein kritisches Lernen, ein Vergleichen, ein Studieren hilft Zusammenhänge zu begreifen und letztendlich die Lehre und sich selbst weiterzuentwickeln.

Bild von Bambus und Orchideen
Gestaltungslehre
  • Regeln u. Grundlagen.
  • Begrifflichkeiten wie z.B. Ordnungs- u. Gestaltungsarten.
  • Gesetzmäßigkeiten in Bezug auf Texturen, Formen, Farben Gruppierungen, Proportion usw.
  • also alles was beim Gestalten Kriterium ist!

2.2 Gestalten

heißt in den meisten Fällen Dinge auswählen und zu einem neuen Ganzen zusammenfügen. Statt mehrere Teile auszuwählen ist es natürlich auch möglich eine vorhandene Sache gestalterisch zu verändern. Gestalten bedeutet ordnen und es ist meist ein gruppieren der ausgewählten Teile nach der Idee des Gestalters. An erster Stelle steht die Auswahl der Teile, für die er sich bewusst oder unbewusst nach deren Farbe, Form und Textur entscheidet. Als weitere Entscheidungen stehen die Wahl der Mengen und Größen, sowie deren Verteilung an.

Für die Gestaltung sind dementsprechend entscheidend

  • WAS? – die Auswahl
  • WIEVIEL? – die Mengen
  • WOHIN? – die Verteilung

Jede Veränderung in Bezug auf die Auswahl, die Mengen- u. Größenverhältnisse, als auch bei der Verteilung bringt eine mehr oder weniger starke Veränderung im Werkstück. Gestalten heißt immer mehr oder weniger große Räume schaffen, tatsächlich oder nur optisch für den Betrachter. Räume schaffen heißt etwas verändern, also gestalten.

Gestaltung sollte immer ästhetisch sein und der Aufgabe gerecht werden. Die Aufgabe kann ein Thema, ein Raum, ein Anlass, oder unter anderem auch ein selbst gestecktes Ziel sein. Die Gestaltung soll in jedem Fall interessant und anspruchsvoll sein, so manches mal ist beim gestalten schon „Kulturgut“ entstanden, unabhängig davon wie lange es Bestand hat. Die Grenze zum Kitsch, dem Gartenzwerg, der künstlichen Perlenkette, der Schleife ohne Funktion, und vielem mehr ist fließend. Es gibt Punkte, wo etwas so hässlich und kitschig ist, dass es schon wieder interessant und vielleicht auch schön sei kann, oder gut gemacht gar zum Objekt werden kann.

Es gibt grundsätzlich drei Arten des Gestaltens. Das zufällige Gestalten, das nachahmende Gestalten und das kreative, schöpferische Gestalten. Letzteres wird auch als freies Gestalten bezeichnet, womit aber nicht gemeint ist, dass es die Gestaltungsgrundlagen und deren Gesetzmäßigkeiten unbeachtet lässt. Ein Basiswissen, auf welches aufgebaut werden kann ist die Voraussetzung, um damit bewusst frei und kreativ Neues zu schaffen. Frei bedeutet im Prinzip keine Vorbilder zu kopieren, sondern nach eigener Idee neue Lösungen finden.
Dazu kann der Gestalter auf Wissen und Vorhandenem aufbauend sich von der Natur, dem Kulturgut, der Kunst, Mode, Werbung usw. inspirieren lassen.

2.3 Gestaltungselemente

Gestaltungselemente sind alle Teile mit denen wir gestalten, bzw. die wir in die Gestaltung mit einbeziehen. Gestaltungselemente sind die Grundbausteine der Gestaltung. Also Einzelteile, die zusammengefügt ein neues Ganzes ergeben. Jedes Werkstück besteht aus mehreren Teilen, den Gestaltungselementen (Elemente, Dinge, die in einer Menge enthalten sind). Element heißt auch Grundbestandteil bzw. Grundstoff (lateinisch, elementum = Grundstoff). Nur durch das bewusste oder unbewusste zueinander ordnen mehrerer Elemente, oder deren bewusste Veränderung, erhält eine Sache eine neue Gestalt. Umgekehrte Vorgehensweise, also das reduzieren bzw. entfernen von Elementen ist ebenso möglich. Um jedoch Gestaltungselemente reduzieren zu können müssen von der Natur oder Menschenhand vorher Teile zusammengefügt sein.

Als Floristen unterscheiden wir grundsätzlich zwischen „floralen“ und „nichtfloralen“ Gestaltungselementen die wir auch umgangssprachlich als unsere Werkstoffe und Materialien bezeichnen. Diese als Einzelelemente ausgewählt sind die entsprechenden Bausteine unserer floristischen Arbeiten. Der Übergang zwischen Beiden ist fließend und doch kann man Grenzen ziehen, wie auch aus der Darstellung und der Erläuterung auf der rechten Seite hervorgeht. Durch eine begriffliche Unterscheidung wird zum einen eine fachliche Spezifizierung erreicht, zum anderen vor dem Kunden die „Blume“ als Kulturgut aufgewertet. Sie wird nicht mit allen restlichen Handelswaren als Material deklariert, sondern erhält einen ihren besonderen Status, ihrem Wesen und ihrem Geltungsanspruch gebührenden Begriff.

Zusammenfassend können wir feststellen, dass das Aussehen der Dinge zum einen immer durch ihre Form, also Formbildung oder Formgebung, bestimmt wird. Des Weiteren geben Farbe und Textur, die Oberflächenbeschaffenheit unseren Gestaltungselementen ihren Ausdruck.

Gestaltungslehre
  • Regeln u. Grundlagen.
  • Begrifflichkeiten wie z.B. Ordnungs- u. Gestaltungsarten.
  • Gesetzmäßigkeiten in Bezug auf Texturen, Formen, Farben Gruppierungen, Proportion usw.
  • also alles was beim Gestalten Kriterium ist!

2.4 Werkstoff & Material

WERKSTOFFE:

sind pflanzliche, also natürlich gewachsene Dinge, deren Erscheinungsbild nicht grundlegend verändert wurde. Alle Blüten, Blätter, Fruchtstände, Sprosse und Wurzeln, ja alle Pflanzenteile ob trocken oder frisch sind Werkstoffe. Es sind gewachsene Teile deren Ursprünglichkeit in Form, Farbe und Textur (Oberflächenbeschaffenheit) klar erkennbar und unverändert geblieben sind.
Ein Werkstoff gleicht nie dem Anderen – Natur und natürliches zeichnen sich durch Individualität bzw. Andersartigkeit aus. Jeder Werkstoff ist ein Unikat.

Werkstoffe sind die wesentlichen Gestaltungselemente des Floristen. Sie sollen sowohl bei der Auswahl als auch bei der Verteilung (Anordnung) immer vorrangig behandelt werden. In Bezug auf die Menge kann auch das Material in einem Werkstück die größere Masse darstellen, aber nur dann, wenn das Material den Werkstoff „in den Vordergrund stellt“. Die größere Menge Material muss in diesem Fall dem Natürlichen zur größeren Geltung verhelfen.

Wird eines der Ausdrucksmittel verändert, z.B. in eine neue Form gebracht, gefärbt, geschält oder beschichtet, entstehen Materialien und somit nichtflorale Gestaltungselemente. Dies bedeutet letztendlich, dass frische Blumen gefärbt, Material im negativen Sinn darstellen

Grafik von Materialien
WERKSTOFFE
  • pflanzliche – natürliche Dinge
  • florale Gestaltungselemente !!!
MATERIALIEN:

dagegen sind Gegenstände, die in ihrer Gestalt, Form, Farbe oder Textur verändert sind. Hierzu zählen keramische Produkte, Kunststoffteile sowie Metallprodukte um nur einige zu nennen. Holz dagegen kann als Werkstoff und als Material in Erscheinung treten. Hier sind die Grenzen fließend und Holz steht deshalb auch auf beiden Grafiken jeweils an deren Grenze. Als gutes Beispiel wäre ein Baumstamm zu nennen für den noch die Bezeichnung Werkstoff zutrifft, wird er jedoch zum Vierkantbalken verarbeitet, sprechen wir von Material. Alle künstlichen Gegenstände, wie Plastik– Papier– oder Seidenblumen sowie alle Stoffe, Tücher, Bänder Kerzen usw. sind ebenfalls Materialien.

Materialien setzt der Florist in vielen Werkstücken ein. Zum einen als rein technisches Hilfsmittel, wie Steckdraht, Steckmasse, Wickeldraht usw. oder als gestalterische Elemente wie Schmuckbänder, Schmuckdraht, Dekostoffe und vieles mehr.

Gefäße z.B. sind Ausgangspunkt der Gestaltung, ein gestalterisches Element, was mehr oder weniger zur Geltung kommt. Zugleich dient das Gefäß jedoch als technisches Hilfsmittel der Wasserversorgung bzw. dem Halt der Blumen oder der Befestigung des Steckhilfsmittels und vielem mehr. Ebenso kann Band tatsächlich binden als technisches Hilfsmittel, aber es kann zugleich gestalterisch mitwirken, oder nur als Schmuckelement ohne tatsächliche Funktion Verwendung finden. Materialien können also sowohl technisches Hilfsmittel, als auch nichtflorale Gestaltungselement zugleich sein, wie die Beispiele Gefäß und Band zeigen.

Grafik von Materialien
Material
  • Farbe und oder Form und oder Textur sind verändert
  • Technische Hilfsmittel und oder nichtflorale Gestaltungselemente!!!

2.5 Ausdrucksmittel

…der Natur, unserer Welt und damit jeden Gestaltens sind Farbe, Form und Textur (Oberflächenstruktur).

Durch sie erhalten alle Dinge unserer Welt ihr Erscheinungsbild. Alle drei sind immer vorhanden; das heißt, jedes Gestaltungselement, ob Werkstoff oder Material, ob also „floral“ oder „nichtfloral“, wirkt durch das Vorhandensein aller drei Ausdrucksmittel und kommt so für sich zur Geltung. So beeinflusst zum Beispiel die Textur die Farbwirkung, die Farbe die Formwirkung oder jeweils umgekehrt. Die wechselseitige Wirkung der Erscheinungen prägt das äußere Bild und erhält dann durch andere Teile im Vergleich (Kontrast) oder durch das Umfeld seinen Ausdruck. Nur durch den Vergleich mehrerer Teile miteinander  ist eine Beurteilung der Dinge möglich und der Mensch empfindet etwas, zum Beispiel hell, dunkel, rund, eckig, flach, rau, glatt, tief. Ja! 80% aller Empfindungen werden über das Auge aufgenommen.

Die Farbe und deren Wirkung kommen hier wieder mit ca. 80% zur Geltung. Sieht der Mensch einen Gegenstand, so wird er in den meisten Fällen zuerst die Farbe und dann erst die Form wahrnehmen. Die Form hat also grundsätzlich einen geringeren Anteil am Wirkungsgrad bzw. Ausdruck einer Sache. Als letztes Ausdrucksmittel kommt bei genauer Betrachtung erst die Textur zur Wirkung. Um zum Beispiel Oberflächenstrukturen bewusst darzustellen, müssen Farb- und Formkontraste reduziert und in ihrer Erscheinung zurück genommen werden.

Je nachdem, welches der drei Ausdrucksmittel im Vordergrund steht, können wir in der Floristik dann von einer Farb-, Form- oder Texturarbeit sprechen. Letztere umgangssprachlich als Strukturarbeit bezeichnet. Textur, das Schwächste der drei Ausdrucksmittel wird als Thema auf der nächsten Seite behandelt. Es folgen als jeweils eigenständige Kapitel die Formen- und die Farbenlehre.

Bild von Lilien
 Ausdrucksmittel
  • alle Gestaltungselemente  haben eine Farbe, eine Form und eine Textur
  • durch alle drei entsteht der Ausdruck der „Dinge“  !!!

2.6 Textur

ist das dritte Ausdrucksmittel und ist neben der Farbe und der Form bei allen Gestaltungselementen immer vorhanden. Das Zusammenwirken von Farbe, Form und Textur sollte sich der Florist ständig bewusst machen. Die Wirkung der Farbe kann durch die Oberflächenstruktur betont oder abgeschwächt werden. Auch umgekehrt kann eine Textur durch die entsprechende Farbe in ihrer Wirkung gesteigert oder geändert werden.

Warm wirkende Farben, wie z.B. Orange, wirken auf glatter Fläche kühler und abweisender, während sie auf tiefporigem Untergrund warm und weich erscheinen. Ist die glatte Fläche des Orange gar hochglänzend, verliert die Farbe ganz an Wärme und Nähe. Dies können wir am Beispiel der Farbe Blau ebenfalls deutlich erkennen. Kalte Farben kommen auf glänzend wirkenden Strukturen voll zur Geltung. Auf offenporigen, tiefen Oberflächen verliert sie jedoch ihre Klarheit, wirkt schwerer, ferner und nicht mehr so kühl. Vergleichen wir Anthurium andreanum und Anthurium scherzerianum des gleichen roten Farbtons, zeigen sich die Wirkungsunterschiede am deutlichsten. Durch die Struktur können folgende Farbwirkungen verändert werden: nah-fern, warm-kalt, leicht- schwer, rein-trüb, hell-dunkel usw.

Strukturen können also, gezielt eingesetzt, Farbkontraste in ihrer Stärke betonen oder abschwächen bzw. auch ausgleichen. Ein reines Gelb auf glatter glänzender Oberfläche wirkt durch die Reflexion kälter und leichter als das gleiche Gelb auf einer rauen, rustikalen Struktur. Wählen wir für einen Raumschmuck Eremurus, Sonnenblumen und Tagetes in Gelbtönen, entsteht kein großer Farbkontrast. Bringen wir die Arbeit jedoch z.B. vor einem gelben Hintergrund z.B. einer hochglänzend lackierten Fläche zur Geltung, entsteht ein Strukturkontrast, der die Farbtöne weiter voneinander entfernt erscheinen lässt. Das heißt die Textur, verändert die Farberscheinung. Da alle Gestaltungsmittel unterschiedliche Texturen haben, teilen wir diese in Gruppen ein, die verschiedene Merkmale und Eigenheiten der Erscheinungen zusammenfassen.Wir kennen aus älteren Gestaltungslehren der Floristik unter anderem folgende Strukturbegriffe: samtig, metallisch, porzellanen, brokat, wollig, ledern, gläsern.

Diese althergebrachten Begriffe sind jedoch nicht mehr zeitgerecht und treffen keine klaren Aussagen. Klare, nicht gegenstandsbezogene Begriffe, die sich in ihrer Aussage nur auf die Oberflächenstruktur beziehen, wären unserer Meinung nach besser. Ledern kann rau, spröde und stumpf, aber auch glänzend, glatt und elegant sein. Metallisch, zum Beispiel kann glatt, glänzend, edel oder aber rostig, oxidiert oder patiniert sein. Daher finden wir neutrale Begriffe wie hochglänzend, glänzend, seidenmatt, matt, rau, fein, weich und transparent als die bessere Möglichkeit, Texturen zu beschreiben und einzuteilen.

In den nachfolgenden Texten dieses Buches und in der Übersicht werden wir der Sachlichkeit wegen, diesen Begriffen den Vorzug geben. Wir unterteilen die Texturen grundsätzlich in zwei große Bereiche. Zum einen die mit stark verdichteter Oberflächenbeschaffenheit, die dadurch mehr oder weniger hart u. geschlossen wirken. Zum anderen in nicht so stark verdichtete, die dann Transparents oder mehr Räumlichkeit und Tiefe zeigen.

Texturen
  • hochglänzend
  • glänzend
  • seidenmatt
  • matt
  • rau
  • fein
  • weich
  • transparent